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Ergebnisse World-Café

An CLTR 2025 wurde zum ersten Mal ein gross angelegtes World-Café durchgeführt. Die Teilnehmenden haben sich aktiv in die Gespräche eingebracht, viele Inputs geliefert und damit entscheidend zum Erfolg dieses Formats beigetragen. Es freut uns, die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu teilen.

Worum ging es – was waren die Tischthemen?

Rund 120 Teilnehmende diskutierten an verschiedenen Tischen folgende drei Themen rund um eine mögliche KI-Regulierung im Urheberrecht:

  • Schrankenlösung: Soll für KI-Nutzungen eine spezifische Schranke ins Urheberrechtsgesetz aufgenommen werden? Wenn ja, wie ist diese auszugestalten (Stichwort: Vergütungspflicht und Opt-out)?
  • Kollektive Verwertung: Soll die Rechteverwertung kollektiv – unter Einbindung einer Verwertungsgesellschaft erfolgen, z.B. als «kollektive Verwertung unter Bundesaufsicht» oder als «Erweiterte Kollektivlizenz»? Was ist dabei zu beachten?
  • Standortattraktivität der Schweiz: Welche Auswirkungen hat eine KI-Regulierung im Urheberrecht auf die Standortattraktivität Schweiz? Welche Aspekte sind wichtig?

Übergreifende Erkenntnisse

Die Teilnehmenden wünschen sich insgesamt Rechtssicherheit, Transparenz, Kontrolle, faire Vergütung und international abgestimmte Lösungen. Die Diskussionen zeigten vielfältige Bedenken und Perspektiven. Einzelne Inputs wurden bei allen Themenfeldern geäussert bzw. als Erkenntnisse formuliert.

Wunsch nach Rechtssicherheit

  • Es besteht ein hoher Wunsch nach Rechtssicherheit: Die regulatorische Lösung soll einfach, effizient, praktikabel und durchsetzbar sein.

Kontrolle und Transparenz

  • Rechteinhabende wünschen sich primär Kontrolle über ihre Werke und Leistungen. Zudem ist ihnen Transparenz wichtig. Sie fürchten Machtungleichgewichte gegenüber KI-Anbieterinnen und -Anbietern und sehen die Zahlung einer Vergütung als Frage der Fairness.

Opt-out

  • KI-Anbieterinnen und -Anbieter (sowohl etablierte Unternehmen als auch Start-ups) wünschen sich unkomplizierte, nicht übermässig teure und «machine readable» Opt-out-Mechanismen.

Offene Fragen

  • Verschiedene Fragen sind bei allen Tischthemen wichtig bzw. üben gegenseitigen Einfluss aus; doch hat man darauf (noch) keine passenden Antworten:
    • Soll es Opt-out Möglichkeiten geben? Wie würde man die Opt-outs ausgestalten?
    • Wenn für KI-Nutzungen Vergütungen eingezogen werden, wie sind diese dann zu verteilen (Gefahr des «Giesskannenprinzips»)?
    • Wie kann die Schweizer Lösung international kompatibel ausgestaltet werden?

Einheitliche Regelung

  • Insgesamt wird bestätigt, dass es wohl keine «One-size-fits-it-all»-Regelung geben wird.

Rechtsgrundlage vs. Anwendung

  • Viele Teilnehmende denken, dass rechtliche Lösungen dem technischen Fortschritt stets hinterherhinken. Viele glauben deshalb, dass für das Training grosser LLMs eine Regelung bereits zu spät komme. Man solle den Fokus eher auf Anwendungen nach dem Training legen.

Ergebnisse nach Themen

1. Schrankenlösung

Haltung:

Es lässt sich keine einheitliche Haltung bei den Teilnehmenden ausmachen. Die Meinungen sind stark gespalten: Von «Ja, es braucht unbedingt eine vergütungsfreie Schranke» bis «Nein, die KI-Anbieterinnen und -Anbieter sind schon mächtig und stark genug» wird alles vertreten.

Hauptpunkte:

  • Eine Schranke kann zwar ein Lösungsansatz sein. Doch weiss man nicht recht, wie eine solche sinnvoll ausgestaltet werden könnte und ob sie bspw. für alle Nutzungen oder nur nicht-kommerzielle Nutzungen greifen sollte.
  • Die Zahlung einer Vergütung erscheint als zentraler Gerechtigkeitsfaktor; ohne Vergütung wird eine Schranke nach Ansicht der Teilnehmenden kaum mehrheitsfähig sein.
  • Die Frage des Opt-outs bei einer Schranke wird kontrovers beurteilt:
    • bringt Kontrolle,
    • sollte erklärt werden, um individuell Lizenzen verhandeln zu können,
    • funktioniert in der EU aber bisher schlecht.
  • Transparenz wird als unverzichtbar betrachtet (Schranke nur mit Transparenzpflicht).
  • Internationale Abhängigkeit: Die Schweiz darf nach Ansicht der Teilnehmenden weder zu früh noch zu spät regulieren. Die EU-Regelung wird als wenig funktionierend wahrgenommen.
  • Durchsetzbarkeit, auch im internationalen Kontext, wird als wichtig erachtet.
  • Zeitdruck: Gesetzgebung muss sorgfältig sein, aber auch rechtzeitig kommen.
  • Gültigkeitsbereich: Es gibt Zweifel, ob das Urheberrechtsgesetz der richtige Ort ist, die KI-Thematik zu regulieren.

2. Kollektive Verwertung

Haltung:

Das System einer kollektiven Verwertung wird von den Teilnehmenden insgesamt als eine pragmatische und politisch machbare Lösung gesehen. Diese könne Vertrauen schaffen und ermögliche (je nach Ausgestaltung) Kontrolle über die Werke und Leistungen.

Hauptpunkte:

  • Der Gedanke einer (obligatorischen) «Kollektivverwertung unter Bundesaufsicht» findet breite Unterstützung. Der Ansatz wird als sicher, klar und effizient gesehen.
  • Die Erweiterte Kollektivlizenz (EKL) wird als praktikabel wahrgenommen. Viele zweifeln jedoch, ob mit allen KI-Anbieterinnen und -Anbietern verhandelt werden kann. Auch scheint unklar, wer am Ende Geld aus den erteilten Lizenzen erhalten würde.
  • Opt-outs werden sowohl bei der «Kollektivverwertung unter Bundesaufsicht» als auch bei der EKL kontrovers diskutiert (Opt-out soll nicht möglich sein, soll aus allen erdenklichen Gründen möglich sein, soll nur bestimmten Rechteinhabenden vorbehalten bleiben, sollte dem Stand der Technik entsprechen usw.).
  • Viele der Fragen – z.B. wer ist berechtigt, was solle man mit kleinen Vergütungsbeträgen tun etc. – stellen sich schon heute in der Kollektivverwertung. Sie sprechen nach Meinung der Teilnehmenden nicht gegen eine Kollektivverwertung.
  • Ein Tarif schafft Vorhersehbarkeit und damit Rechtsklarheit. Ein Tarif müsste aber unter Umständen unterschiedliche Akteure (Forschung vs. Kommerz) berücksichtigen.
  • Die allfällige Differenzierung zwischen Training der KI und deren Anwendung sind auch in diesem Themenbereich zentral. Die Meinungen scheinen dahin zu gehen, dass die verschiedenen Phasen unterschiedlich reguliert werden müssten.

3. Standortattraktivität Schweiz

Haltung:

Die Schweiz wird grundsätzlich als attraktiver Standort sowohl für Forschung, Innovation und Wirtschaft als auch für das Kreativschaffen angesehen. Dies sei dank Bildung, Infrastruktur und stabiler Rahmenbedingungen der Fall.

Hauptpunkte:

  • Es soll Rechtssicherheit ohne Überregulierung geschaffen werden: Regeln müssen klar, einfach und ausgewogen sein.
  • Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass für unterschiedliche wirtschaftliche Realitäten unterschiedliche Lösungen gefunden werden müssten.
  • Eine faire Vergütung und verlässliche Rechtsdurchsetzung sind wichtige Punkte für Kreativschaffende.
  • Man darf nach Ansicht der Teilnehmenden die Start-ups nicht vergessen: Eine allfällige Vergütungspflicht darf Innovation nicht bremsen.
  • Transparenz und vertrauenswürdige Informationssysteme stärken den Standort Schweiz.
  • Man fragt sich, ob eine Regulierung nicht auf internationaler Ebene angegangen werden müsste. Abweichungen von «EU-Rechtsrahmen» werden z.T. unterschiedlich bewertet (Swiss Finish kann positiv sein bzw. heterogener Rechtsrahmen ist nicht attraktiv für die Schweiz). Erwähnt wird auch, dass kein «Race to the bottom» stattfinden sollte, nur weil in anderen Ländern evtl. weniger strenge Regeln gelten.
  • KI-Entwicklung in der Schweiz soll gemäss den Teilnehmenden nicht erschwert werden; übermässige Regulierung könnte technische Innovation ausbremsen. Zudem sei es wichtig, dass KI in der Schweiz entwickelt werde, da diese vertrauenswürdig sei.
  • Das Thema Selbstregulierung solle geprüft werden, bevor gesetzliche Regelungen greifen.

Wie weiter?

Die Motion Gössi «Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch» wurde am 11. Dezember 2025 mit einem abgeänderten Wortlaut auch vom Ständerat angenommen . Es geht nun darum, eine rechtssichere und praktikable Umsetzung der Motion vorzusehen. Das IGE nimmt diese Arbeiten an die Hand. Die gewonnen Erkenntnisse aus dem World-Café leisten dem IGE dabei einen wichtigen Beitrag. So hat das World-Café viele relevante Inputs und Stimmungsbilder geliefert. Es zeigt sich, dass zwar bei den verschiedenen Stakeholdern dieselben Themen relevant sind, die Frage zu deren Handhabung allerdings oft kontrovers beantwortet wird. Das IGE scheint jedoch mit seinen Überlegungen grundsätzlich auf dem richtigen Weg.